08. Oktober 2019

Interview A3 Magazin: „Auf Stein und Mörtel“

Er ist ein erfolgreicher Unternehmer, Vorstandsmitglied des BFW Landesverband Bayern e. V. und Mitglied des Urban Land Institute, im Herzen Augsburger und in der Welt zuhause: Stephan Deurer gilt als eines der prominentesten Gesichter der Immobilienwirtschaft weit über die Region A³ hinaus. Im Interview verrät er, warum er gerne aus Augsburg kommt, wo er unbedingt einmal leben möchte und welche Zukunft er für seine Heimatstadt sieht.

Herr Deurer, warum sind Sie gerne Augsburger?
Ich bin hier aufgewachsen. Meine Familie hat Wurzeln in dieser Region, die sich bis zum Dreißigjährigen Krieg zurückverfolgen lassen. Eine solche Grundlage an einem Standort zu haben, ist etwas Besonderes, das wirft man nicht einfach weg – das gilt umso mehr für eine Bauunternehmerfamilie wie uns, denn in unserer Branche finden Entwicklungen langfristig statt. Hinzu kommt, dass der südbayerische Raum wirtschaftlich sehr stark ist, möglicherweise sogar die wirtschaftlich stärkste Region in ganz Europa darstellt. Hier zu wohnen ist ein Privileg, das ich sehr genieße.

Und warum wohnen Sie gerade hier, in diesem Haus?
Unsere Familie stammt aus Pfersee – es hätte nicht unbedingt dieser Stadtteil sein müssen, aber eine zentrale Lage war mir schon wichtig. Und dieses Haus aus den 1920er Jahren hatte es uns einfach angetan. Es gibt viele schöne Häuser auf der Welt, doch momentan ist mein Traumhaus dieses hier, in dem wir zwei Kinder großgezogen haben und uns als Familie entwickeln konnten.

Wo würden Sie leben wollen, wenn nicht in Augsburg?
Im Herzen bin ich Augsburger, aber schon heute arbeite und lebe ich global. Überall dort, wo wir auch als Familie viel Zeit verbringen, schlagen wir Wurzeln. Es gibt so viele schöne Orte auf der Welt, New York City, Paris, London … Die Zeit wird zeigen, was kommt und wohin es uns vielleicht noch verschlägt. Aber irgendwann werden wir sicherlich einmal für mindestens ein paar Monate in San Francisco leben.

Wenn Sie neue Projekte entwickeln: Was inspiriert Sie?
Alles. Ich mache vieles, weil es mir Spaß macht und nicht, weil ich es muss. In Projekte wie den Sheridan Tower oder den Sheridan Campus stecke ich mein ganzes Herzblut. Das sehen und spüren die Menschen auch. Dann gibt es wiederum Sachen, die muss man machen, auch miteinander, ob man sich liebt oder nicht, weil sie einfach wirtschaftlich Sinn machen. Und man muss realistisch bleiben: Nicht alles, was in New York oder in Kopenhagen funktioniert, lässt sich auch in Augsburg umsetzen. Manchmal möchte man seine Träume verfolgen – jeder, der seinen Job liebt, spielt auf diesem Klavier. Aber jedes Projekt braucht vor allem auch eine solide wirtschaftliche Grundlage.

Würden Sie sich als mutig beschreiben?
Ja. Aber, und das ist ganz wichtig: Mein Mut basiert auf Stein und Mörtel. Meiner Meinung nach haben es viele Akteure in anderen Branchen deutlich schwerer: Häufig sind diese so schnelllebig, dass es nur darauf ankommt, wer ein Produkt als erster auf den Markt bringt. Dagegen empfinde ich die Immobilienbranche als dramatisch risikoärmer und wesentlich einfacher zu beherrschen. Sicherlich werden mir hier viele widersprechen, doch das sind die Erfahrungen, die wir als Familie über Generationen hinweg gemacht haben.
Ein paar Dinge muss man beachten – Stichwort Lage, Lage, Lage – und ein Projekt muss wirtschaftlich sein. Wenn das gegeben ist, dann kann man eigentlich gar nicht mehr so viel falsch machen. So lange die Menschheit wächst, ist die Immobilienbranche ein sicheres Geschäft.

Zweifeln Sie nicht auch mal an einem Projekt?
Um ehrlich zu sein, nein. Ich denke hier langfristig: Wenn etwas heute noch nicht funktioniert, dann warte ich eben, bis der Markt dafür reif ist. Wichtig ist, dass das Projekt insgesamt marktfähig ist. Natürlich ist es einfacher, so zu denken, wenn vom kurzfristigen Ergebnis nicht abhängt, ob Essen auf den Tisch kommt. Aber es geht auch um eine grundsätzliche Einstellung: Manchmal muss man eben einen langen Atem haben.

Was braucht es, um andere zu begeistern?
Eine Vision zu haben, fest an etwas zu glauben, das ist wichtig, aber das alleine reicht nicht. Es kommt darauf an, fokussiert zu sein, vernünftig mit anderen Menschen und mit Geld umzugehen. In meinem Leben gab und gibt es viele Menschen, vor denen ich großen Respekt habe, weil sie vorangeschritten sind, weil sie etwas bewegt haben, weil sie das, woran sie geglaubt haben, selbst vorgelebt haben. Hier erntet man, was man sät, davon bin ich überzeugt.

Sie sind beruflich viel unterwegs, vor allem in Nordamerika. Wenn Sie von dort wieder zurückkehren nach Augsburg: Was bringen Sie mit?
Der nordamerikanische Immobilienmarkt ist der größte und professionellste der Welt. Immobilien sind dort ein Handelsgut, auch im privaten Bereich. Der Markt ist viel transparenter, und die Menschen denken marktorientierter. Diese Denkweise setzt viel Potenzial frei, und das versuche ich, nach Augsburg zu bringen.
Auch in anderen Bereichen gibt es meiner Ansicht nach in Nordamerika gute Ansätze, die bei uns ebenfalls funktionieren könnten. So haben die Kanadier eine sehr gute Immigrationspolitik: Der jährliche Zuwachs ist begrenzt, und es gibt klare Regeln, die allen das Zusammenleben und -arbeiten ermöglichen und erleichtern. Seit über 40 Jahren ist unser Unternehmen auch in Toronto aktiv, und wir haben deshalb häufig miterlebt, wie gut dieses Konzept funktioniert. Ich habe großen Respekt vor der Frage, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt und wie wir mit den Themen Immigration und Fachkräftemangel – den wir in unserer Branche übrigens besonders stark spüren – umgehen werden. Und es gibt Länder, die schon lange Lösungen vorleben.

Wie unterscheidet sich die Can-do-Mentalität der Amerikaner von der Haltung der Deutschen?
Die Amerikaner sehen – egal, in welcher Lebenslage – immer zuerst die Chancen. Die Probleme, so der Gedanke, werden schon von ganz alleine kommen. Die Deutschen halten es genau umgekehrt: Zunächst einmal werden alle Probleme gesucht, und dann, wenn man keine findet, überlegt man sich ganz genau, wie ein Thema angegangen werden sollte. Das kostet viel Zeit, und es werden Chancen vertan. Sicher: Wo Erfolg ist, ist auch Misserfolg, das ist in Amerika nicht anders. Doch die Suche nach dem Negativen hat in Deutschland sehr stark zugenommen.

Halten Sie das für problematisch?
Ja, auch politisch gesehen. Die Grenzen nach unten weichen immer weiter auf, die Gesellschaft wird zunehmend von Extremen gesteuert. Einerseits geht es den Menschen so gut wie nie zuvor, andererseits haben sie Angst vor der Zukunft und verlieren den Glauben an die Politik. In Deutschland wird Demokratie noch gelebt, in Großbritannien und den USA sehe ich schon ein anderes Bild. Wir müssen gegensteuern, bevor es zu spät ist. Denn wir haben in Deutschland wahrscheinlich die besten Politiker, die es auf diesem Planeten gibt. Nur trauen diese sich häufig nicht, aktuelle Probleme anzupacken, selbst dann nicht, wenn sie die Lösung dafür kennen.

Die da wäre?
Wir haben in den vergangenen Jahren eine Wertsteigerung von Immobilien erlebt, die in ihrer Extreme schon an Perversion grenzt. Es handelt sich sicher nicht um eine Blase, aber diese Entwicklung ist trotzdem problematisch, denn sie ging zu schnell vonstatten. Die Gehälter konnten und können mit den Miet- und Kaufpreisen von Immobilien nicht mithalten.
Dafür gibt es zwei Lösungen: urban sprawl – also die flächenmäßige Ausweitung der Städte, wie in Atlanta oder Houston. Oder Verdichtung, wie in Barcelona, Paris oder London. Letztere ist sicherlich die sinnvollere Lösung. Doch die dafür notwendige gesellschaftliche Diskussion ist bei Weitem noch nicht an diesem Punkt angelangt.
Außerdem brauchen wir dringend neue, transparente Konzepte und müssen dabei auch bisherige Vorschriften überdenken und stärker in öffentliche Räume investieren. Für das Gemeinwohl könnte viel getan werden, ohne dass individuelle Freiheiten dramatisch eingeschränkt werden müssten. Man muss aber offen dafür sein, auch als Gesellschaft. Die grundsätzliche Frage ist doch: Wollen wir Raum für mehr Menschen schaffen oder nicht? Und darauf gibt es eigentlich nur eine akzeptable Antwort.
Was denken Sie: Wie sieht der Wirtschaftsstandort Augsburg in zehn Jahren aus?
Augsburg hat sich in den vergangenen zehn Jahren stark verändert. Es ist vielleicht etwas unfair und sicherlich auch nicht ganz richtig, dies nur einer Person zuzuschreiben, aber ich möchte ihn an dieser Stelle trotzdem erwähnen: In der Ära unseres Oberbürgermeisters Dr. Kurt Gribl wurde gesät, und diese Früchte dürfen wir jetzt ernten. Hinzu kommen noch weitere Punkte: Die neue Universitätsklinik ist eine riesige Chance für Augsburg; die Unternehmen zahlen – endlich – bessere Löhne; München ist außer Kontrolle, was Platz für Wohnen und für Firmen angeht; und Augsburg hat alle Chancen der Welt. Wir müssen sie nur nutzen. Dabei müssen auch Lösungen gefunden werden für die großen Herausforderungen in den Bereichen Wohnen und Infrastruktur – und zwar zeitnah, solange es die Fachkräfte, die diesen Wandel auch umsetzen können, bei uns noch gibt.

Zum Schluss: Was muss geschehen, damit der Wirtschaftsraum Augsburg ein noch besserer Ort wird, um zu leben, wohnen, arbeiten?
Wir müssen unsere Städte lebenswert gestalten. Mein Wunsch ist es, dass wir als Standort hier noch viel innovativer werden. Mehr Vertrauen in die Zukunft haben, hinaus in die Welt gehen und für uns mitnehmen, was uns besser machen kann. Wir Augsburger müssen das Rad nicht neu erfinden, nur unsere Augen öffnen für das, was möglich ist.

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